07/07/2021

Bindungswirkung eines Erbvertrages

Haben sich Eheleute in einem notariellen Erbvertrag wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und den Sohn des Ehemannes aus dessen erster Ehe als Erben des Zuletztversterbenden und festgehalten, dass sämtliche Bestimmungen des Erbvertrages bindend sein sollen, im Falle des Überlebens der Ehefrau die Bindungswirkung jedoch entfällt, wenn der Sohn von ihr den Pflichtteil verlange, so stellt diese Regelung einen zulässigen Änderungsvorbehalt dar. Im konkreten Fall hatte die überlebende Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes ihre Nichte zu ihrer Alleinerbin eingesetzt in einem privatschriftlichen Testament, in dem sie niedergeschrieben hatte, dass der Sohn des Mannes seinen Pflichtteil verlangt habe. Nachdem die Ehefrau verstorben war, beantragte deren Nichte einen Erbschein für sich. Parallel beantragte auch der Sohn des Mannes einen Erbschein für sich. In dem vor dem Nachlassgericht geführten Erbscheinverfahren ging es entscheidend darum, ob der Sohn seinen Pflichtteil gefordert hatte oder nicht; in dem Zusammenhang ging es auch um eine Geldzahlung, die dem Sohn zu Lebzeiten der Ehefrau von dieser überwiesen worden war und ob diese Geldzahlung einen Bezug hatte zum damaligen Erbvertrag und zu seinem Pflichtteil. Letztlich wurde die Geltendmachung eines Pflichtteils durch den Sohn verneint. Deshalb blieb es bei der Bindungswirkung des Erbvertrages. Die testamentarische Anordnung der Ehefrau, ihre Nichte einzusetzen, war unwirksam. Der Eintritt des Änderungsvorbehaltes (dass die Ehefrau abweichend vom Erbvertrag anders verfügen darf) konnte nicht nachgewiesen werden (OLG Düsseldorf 3 Wx 79/20).

Wichtig für die Praxis: Grundsätzlich gibt es Bindungswirkungen eines Erbvertrages, die aber unter einen Änderungsvorbehalt für den überlebenden Ehegatten gestellt werden können. D.h. es ist prinzipiell möglich, den überlebenden Ehegatten von einer Bindungswirkung in bestimmter Situation zu befreien. Sollte es aber später Streit darüber geben, ob eine bestimmte Situation wirklich eingetreten ist, muss dies aufgeklärt und notfalls bewiesen werden. Im Verfahren vor dem Nachlassgericht auf Erteilung eines Erbscheins sind Beweislastregeln zu beachten. So trägt in einem Erbfall derjenige die Beweislast für die Tatsachen, die sein Recht begründen, während derjenige, der dieses Erbrecht streitig macht, die Feststellungslast für die rechtshindernden bzw. rechtsvernichtenden Einwendungen trifft.

Michael W. Klein
Rechtsanwalt